Offizielle Beurteilung der Stiefografie durch die Volkshochschule
Vergleich mit Deutscher Einheitskurzschrift
"Die Stiefografie (so benannt nach ihrem Erfinder Helmut Stief) ist eine Kurzschrift, die nach einem anderen System als dem der Deutschen Einheitskurzschrift (→ 62.820) geschrieben wird. Als wesentliche Unterscheidungsmerkmale können genannt werden:
- In der Einheitskurzschrift werden mehr als 60 Schriftzeichen verwendet; die Stiefografie kommt mit 25 Schriftzeichen aus.
- In der Einheitskurzschrift sind über 100 Kürzel festgelegt; in der Grundschrift der Stiefografie gibt es keine Kürzel.
- In der Einheitskurzschrift gibt es für die Schreibweise der Schriftzeichen zahlreiche Ausnahmeregeln; in der Stiefografie werden die Schriftzeichen immer nach der gleichen Regel geschrieben.
- In der Einheitskurzschrift müssen wesentlich mehr Schreibregeln gelernt werden als in der Stiefografie.
- In der Einheitskurzschrift muß bei manchen Schriftzeichen der Schreibdruck verstärkt werden; in der Stiefografie werden alle Zeichen ohne Druckverstärkung geschrieben (und können daher mit jedem beliebigem Schreibgerät geschrieben werden).
Aus dieser Gegenüberstellung wird deutlich, daß der Lernstoff bei der Stiefografie einen wesentlich geringeren Umfang hat als bei der Deutschen Einheitskurzschrift. Bei gleicher Lern- und Übungsintensität können deshalb bestimmte Schreibgeschwindigkeiten mit der Stiefografie in kürzerer Zeit erreicht werden als mit der Einheitskurzschrift. Aus diesem Grund sind in letzter Zeit VHS in zunehmender Zahl dazu übergegangen, neben Kurzschriftkursen nach dem System der Deutschen Einheitskurzschrift auch Kurse in Stiefografie zu veranstalten. Stiefografiekurse werden jetzt auch an Hochschulen und in der betrieblichen Fortbildung durchgeführt. Bei einigen Industrie- und Handelskammern werden neuerdings auch Teilnehmer, die die Stiefografie erlernt haben, zu den Kurzschriftprüfungen der Kammern zugelassen.
Nach den bisher vorliegenden Erfahrungsberichten kann davon ausgegangen werden, daß nach 10 Doppelstunden (bei einer Doppelstunde pro Woche) in der Grundschrift etwa 80 Silben pro Minute geschrieben werden können. Wenn die Kursteilnehmer das Schreiben regelmäßig zuhause üben (etwa 15 Minuten pro Tag), können bei Abschluß eines Kurses von 10 Doppelstunden noch höhere Schreibgeschwindigkeiten erreicht werden.
Vor allem kaufmännische Angestellte, Verwaltungsangestellte und Schüler nehmen an Stiefografiekursen teil. Daneben kommen Teilnehmer aus mehreren anderen Berufsgruppen (Techniker, Lehrer, Ärzte, Rechtsanwälte, Arzthelferinnen, Facharbeiter, Bundeswehrangehörige). Dieser Tatbestand weist darauf hin, daß sich das Erlernen der Stiefografie gerade auch für Personen anbietet, die nicht als Schreibkräfte arbeiten, sondern in kurzer Zeit die Fähigkeit erwerben wollen, im Rahmen ihrer beruflichen Ausbildung oder Tätigkeit ihnen zugehende verbale Mitteilungen in Kurzschrift aufnehmen zu können."
Quellenangabe:
Stiefografie, in: Die Volkshochschule. Handbuch für die Praxis der Leiter und Mitarbeiter, Frankfurt am Main 12/1972, Nr. 62.823